Vertrauen, Beziehungen und Komfortzonen
Beim Umgang mit Pferden ist Vetrauen wichtig. Darum geht es im heutigen Blogbeitrag von unserer RNBS-Kandidatin Yvonne von @yvo_55. :-)
In vielen verschiedenen Beiträgen in der Pferdewelt findet man immer wieder die Frage „Wie hast du es geschafft, dass dein Pferd dir so vertraut?“. Eine Frage, welche sich selten in zwei Sätzen beantworten lässt, weil Vertrauen für jeden etwas anderes bedeutet. Laut Definition des Duden ist Vertrauen das „feste Überzeugtsein von der Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit einer Person“. Aber wie baue ich dieses Vertrauen auf und wo hat Vertrauen seine Grenzen?
Das Überzeugtsein von der Verlässlichkeit einer Person spricht für mich einen wichtigen Punkt in der Beziehung zu meinem Pferd an. Würdet ihr einem Partner vertrauen, wenn er sich euch gegenüber jeden Tag anders verhält? Den einen Tag ist es ok, wenn ihr ihn umarmt und am anderen akzeptiert er dies nicht mehr. Wir als Menschen wissen, dass es Stimmungsschwankungen gibt, dass wir nicht immer gleich reagieren können. Diese Schwankungen sind eines der größten Hindernisse, um eine gute Vertrauensbasis zu unserem Pferd aufzubauen. Unser eigenes menschliches Verhalten steht uns oft im Weg und um dies zu erkennen, müssen wir uns immer wieder selbst kontrollieren. Ein Pferd versteht nicht warum wir an unseren guten Tagen eine Engelsgeduld haben, sollte mal wieder ein gruseliges Monster unterwegs sein, aber an anderen schnell gereizt und mit Druck reagieren. Dieses wechselhafte Verhalten spricht nicht grade für Verlässlichkeit. Als Basis ist es deswegen unerlässlich, dass ihr ehrlich zu euch selbst seid und versucht eine neutrale Position zu finden. Eure Reaktionen auf das Verhalten des Pferdes sollten immer dem gleichen Muster folgen, damit euer Pferd weiß was kommt.
Ein klassisches Beispiel ist das Erschrecken des Pferdes vor verschiedenen Gegenständen oder Situationen. Im Horsemanship gibt es das Prinzip von Annährung und Rückzug. Dabei nähre ich mich mit meinem Pferd so nahe an den gruseligen Gegenstand an bis ich merke, dass mein Pferd sich nicht mehr wohl fühlt und kurz VOR(!) dem Fluchtpunkt ist. An diesem Punkt warte ich in gelassener Position bis mein Pferd ein Zeichen der Entspannung zeigt. Dann ziehen wir uns als Belohnung wieder ein Stück zurück. Dies wiederholen wir solange bis wir den Gegenstand erreicht haben. Somit kann ich jede Situation, in welcher mein Pferd Angst hat, nach dem gleichen Muster angehen. Mein Pferd
ist der gruselige Gegenstand nicht vertraut, aber mein Verhalten. Ich zeige ihm damit, dass ich ein verlässlicher Partner bin und er in meine Führung Vertrauen setzen kann.
Habe ich mit meinem Partner Pferd erstmal eine gute Basis in unserer Beziehung aufgebaut, kann es weitergehen. Wie in einer richtigen Beziehung nährt man sich am Anfang langsam an und je mehr man über den anderen erfährt, desto mehr entwickelt sich die Beziehung. Deswegen ist es immer wichtig durch unser Verhalten ein Grundvertrauen aufzubauen. Dieses Grundvertrauen ist die Basis unserer Beziehung. Dann kommt etwas was viele Pferdebesitzer aus Angst vor der Reaktion ihres Pferdes scheuen, den Weg raus aus der Komfortzone und der Aufbruch in gemeinsame Abenteuer mit dem Pferd. Gemeinsame Abenteuer stärken das Vertrauen, weil die Vielzahl von gemeisterten Situationen eurem Pferd die Verlässlichkeit eurer Führung zeigen und ihr selbst immer sicherer werdet. Ganz nach dem Motto „Wir haben schon so vieles geschafft, dass schaffen wir auch!“. Ihr lernt euch noch besser kennen, die Verbindung wird tiefer und euer Verständnis füreinander wächst.
Wenn ihr das Gefühl habt, ihr schafft gewisse Situationen noch nicht, setzt euch kleinere Ziele. Keiner erwartet, dass ihr mit eurem grade angerittenem Pferd, welches schon eine gute Verbindung zuhause in „geschütztem Raum“ zu euch hat, sofort eine Show auf der Equitana zeigt. „Step by step“ ist hier die Vorgehensweise. Raus aus der Komfortzone heißt nicht, dass ihr sofort 1000 Schritte aus eurem Wohlfühlbereich machen sollt. Ein Schritt reicht erstmal vollkommen aus. Bald werdet ihr merken, dass sich eure persönliche Grenze der Komfortzone verschiebt. Ihr werdet sicherer und traut euch immer mehr, weil es einfach Spaß macht mit eurem Partner Pferd die Welt zu entdecken. Die Welt voller Abenteuer und Möglichkeiten steht dir und deinem Pferd offen, nutze diese Chance, es wird sich lohnen, dass verspreche ich euch.
Mit Danny war damals meine größte Herausforderung die Hängerfahrt. Als wir ihn nach dem Kauf abgeholt haben, ist er während der Fahrt über die vordere Stange gesprungen. Kopfüber lag er eingequetscht im vorderen Teil des Hängers. Glücklicherweise hat er diesen Stunt unverletzt überstanden, aber ich hatte einen ordentlichen Knacks. Lange hatte ich mich vor irgendwelchen Hängerfahrten gedrückt. Ich hatte immer wieder dieses Bild von Danny im Kopf, wie er hilflos im Anhänger lag. Die Angst, der nächste Unfall könnte nicht so glimpflich ausgehen, nagte immer wieder an mir. Aber irgendwann war das Interesse an Kursen teilzunehmen größer und ich zwang mich zur Auseinandersetzung mit diesem Problem. Es war nicht leicht und es hat mich viel (Angst-)Schweiß und Tränen gekostet auf dem Weg dahin. Die ersten Fahrten waren ohne Kamera und ohne
Begleitperson nicht möglich. Während Danny verhältnismäßig entspannt beim ersten Kurs ausstieg, war ich komplett nass geschwitzt. Aber sowohl Hin- als auch Rückfahrt verliefen gut und ich plante unseren nächsten Kurs. Es folgten viele gemeinsame Kilometer, die wir zurücklegten und mittlerweile sind wir beide ein super entspanntes Team. Der Hänger bedeutet keinen Stress mehr für mich, sondern der Beginn des Weges zu einem neuen Abenteuer. Danny hatte rückblickend keine Probleme mit dem Hänger, aber mit mir und meiner Führung. Ich musste an mir, an meiner Verlässlichkeit arbeiten, damit er beruhigt fahren konnte. Ich bin mehr als glücklich diesen ersten Schritt damals gewagt zu haben. Ohne diesen ersten Schritt raus aus meiner Komfortzone wären all unsere anderen Abenteuer vielleicht nicht möglich gewesen. Ich hätte uns das wohl schönste Abenteuer aus dem vergangen Jahr, dem Galopp am 300km entfernten Strand, vorenthalten. Denkt an all die Abenteuer, welche auf euch warten und macht auch den ersten Schritt dahin. Es ist nicht entscheidend wie schnell ihr den Weg raus aus der Komfortzone gemeinsam geht, geht ihn gemeinsam als Team und das Vertrauen kommt von ganz allein.
Vertrauen wird durch Verlässlichkeit aufgebaut und durch gemeinsame Abenteuer gestärkt, aber wo sind die Grenzen vom Vertrauen oder was hat damit vielleicht gar nichts zu tun? Oft sehe ich Menschen, die eine gute Basis legen und sich dann die ersten Schritte rauswagen. Aber kaum zeigt das Pferd ein für sich normales Verhalten wie Angst, kommt der Spruch „Siehst du, der vertraut mir nicht!“. Vertrauen bedeutet aber nicht keine Angst mehr zu haben, sondern seinem Partner zu helfen diese Angst zu überwinden und gemeinsam die Situation zu meistern. Ganz ehrlich Mädels, wenn ihr in eurem Haus eine Spinne findet und euer Freund sagt „Hab keine Angst.“, wer von euch würde nicht trotzdem hektisch den Raum wechseln und euren Freund die Spinne entfernen lassen. Seht ihr, genauso geht es eurem Pferd. Euer Pferd zieht sich ein Stück zurück, weil es euch mitteilen möchte, dass ihm die Situation Angst macht, aber es flüchtet nicht komplett. Wenn 500kg flüchten wollen, dann flüchten sie. Aber euer Pferd schafft nur etwas Distanz und so wie euer Freund die Spinne entfernt, habt ihr nun die Gelegenheit eurem Pferd in der Situation zu helfen. Seht nicht sofort das negative in einer Reaktion, sondern freut euch, wenn euer Pferd nach einem ersten Erschrecken sich eurer Führung anvertraut und ihr das Problem gemeinsam löst.
Ein letzter Punkt zum Thema Vertrauen möchte ich noch ansprechen, weil ich ihn sehr oft lese und dabei meist nur den Kopf schütteln kann. „Wenn dein Pferd dir vertraut, bleibt es liegen.“ Oft habe ich diese Zeile gelesen und an mir und meiner Beziehung zu meinem Pferd gezweifelt. Danny blieb in den 8 Jahren, welche er jetzt bei mir ist nur zweimal im Stroh liegen als ich dazu kam. Zudem bleibt er beim Ablegen nie wirklich lange liegen. Irgendwann habe ich nicht das Negative darin gesehen, dass er mir nicht vertrauen würde, weil er nicht liegen bleibt. Ich habe meine Sichtweise geändert und festgestellt, dass Danny einfach nicht gerne liegt. Dennoch legt er sich überall für mich ab, wenn
ich ihn danach frage. Egal ob am Strand, im Wald oder im Showring. Dabei turnt auch nochmal gerne mein Hund Joe auf seinem Rücken rum. Ich sehe es nicht mehr als mangelndes Vertrauen, weil er nicht liegen bleibt sondern als Vertrauensgeschenk wenn er sich überall für mich ablegt.
Lasst euch also von anderen nicht einreden was Vertrauen ist oder nicht ist. Vertrauen braucht Zeit, nehmt euch diese Zeit mit eurem Pferd. Brecht auf in neue Abenteuer und genießt sie. Ihr wisst nie welches Abenteuer hinter der nächsten Ecke auf euch wartet.
Mit herzlichstem Dank an Fotografie Anna Auerbach und Talitha Hölscher für die Bilder.
Vielen Dank für diesen schönen Beitrag an Yvonne von @yvo_55! :-)