How to: Tölt in Harmony
Falls Ihr in nächster Zeit Eure Stallkollegen bewaffnet mit mehreren Packungen Kleintierstreu (der Handlichkeit wegen), mindestens einem Weidezaunpfahl (vorzugsweise aus Kunststoff) und einer Longe (am besten genau sieben Meter lang) auf dem Weg zur Reithalle antrefft, bitte wundert Euch nicht. Wenn dann auch noch ruhige, meist instrumentale Musik dabei erklingt, könnt Ihr Euch fast sicher sein, dass sie höchstwahrscheinlich das Tölt- in- Harmony- Fieber gepackt hat.
Bildquelle: Hannah
Bei Tölt in Harmony handelt es sich um eine relativ neue Prüfungsform, die seit etwa zwei Jahren die Turnierszene der Islandpferde erobert und sich sehr großer Beliebtheit erfreut. Ganz grob gesagt geht es darum, das Pferd in der Halle oder dem Dressurviereck (entweder 20x40m oder 20x60m) im Tölt entlang von Linien, die auf den Boden „gezeichnet“ werden, vorzustellen. Begonnen wird immer bei A direkt im Tölt mit einer großen Acht entlang der Linien, gefolgt von zwei Zirkeln, wobei der Handwechsel über die Diagonalen stattfindet. Bei A wird dann ein Übergang zum Schritt geritten, noch einmal über die Diagonale und bei C eine ganze Parade zum Halt. Hierbei geht es nicht um spektakuläre Tempounterschiede oder den schnellsten Rennpass, sondern darum Reiter und Richter zu animieren, die Rittigkeit der Pferde in den Vordergrund zu stellen.
Die Bewertungsgrundlage bildet, ganz klassisch, die Skala der Ausbildung. Je nach Schwierigkeitsgrad (Level I- leicht, Level III- sehr schwer) werden immer mehr Punkte der Skala abgefragt, ohne jedoch die ersten Punkte zu vernachlässigen. Level I spricht bisher die meisten Reiter an. Level II wird zwar oft auch ausgeschrieben, ist aber nur für wirklich geübte Paar zu empfehlen. Level III wird bisher fast gar nicht ausgeschrieben, da es ein geradegerichtetes Pferd und beginnende Versammlung voraussetzt. Das Pferd soll also nicht bloß in einer ansprechenden Form beziehungsweise korrekten Silhouette präsentiert werden, sondern immer mehr über den Rücken von hinten nach vorne an die Reiterhand herantreten. Auch Sitz und Einwirkung des Reiters fließen mit in die Bewertung ein. Der Sitz soll korrekt, aber natürlich funktional sein. Die Hilfengebung punktgenau und möglichst fein. Da es sich um eine Wettbewerbsform handelt, wird das ganze natürlich auch benotet. Noten werden im Bereich 0 - 10 vergeben, wobei 0 nicht ausgeführt bedeutet und 10 perfekt wäre. Jeds gerittene Element wird einzeln benotet und vom Richter kommentiert, Sitz und Einwirkung erhalten eine extra Note.
Vor etwa zwei Jahren fand auf dem Islandpferdegestüt Wiesenhof in der Nähe von Karlsruhe eines der ersten „Tölt in Harmony“ Seminare in Deutschland statt. Nach dem ich mich etwas im Internet schlau gemacht hatte, war ich sofort Feuer und Flamme für die Idee dieser Prüfung: den Islandpferdesport noch pferdefreundlicher zu machen und den Fokus auf die Rittigkeit unserer Pferde zu legen. Für mich stand direkt fest, dass dieses neue Prüfungskonzept aus Island sehr viel Potenzial hat und ich wollte unbedingt dabei sein. Gesagt, getan. Ich habe mich also direkt für das Seminar angemeldet und hatte Glück auch noch einen der sehr begehrten Plätze ergattern zu können. Geleitet wurde die Fortbildung von Trausti Þór Guðmundsson, der sozusagen der geistige Vater dieses Prüfungskonzeptes ist und Lena Lennartsson, die ein Gründungsmitglied der Tölt in Harmony Association ist.
Seitdem bin ich zertifizierte Tölt in Harmony Instructorin Level I und möchte Euch gerne noch einige Tipps zur Prüfungsvorbereitung geben. Immer wieder kommt es auf Turnieren vor, dass Reiter nach der Benotung enttäuscht sind, da sie sich nicht ausreichend mit dem Grundkonzept der Prüfung befasst haben. Viele denken: “Zwei Zirkel und zwei Diagonalen im Tölt und im Schritt….was soll daran so schwer sein?“ Auf den ersten Blick: Nichts. Auf den zweiten fällt dann eben auf, dass es nicht nur darum geht die Linien zu treffen, sondern die Pferde in einem lockeren und gleichmäßigen Takt und Rhythmus vorzustellen. Dadurch, dass die Aufgabe nicht auf dem ersten Hufschlag geritten wird, fehlt komplett die Anlehnung an der Bande. Das macht es für viele Pferde deutlich schwerer sich korrekt zu balancieren. Level I zielt auf die ganze Breite der Islandpferdereiter ab, jeder der sein Pferd mit gutem Takt, guter Losgelassenheit und beginnender Anlehnung reiten kann, wird hier mit schönen Noten belohnt werden. Deshalb darf Level I sogar im Trab geritten werden. Schon um eine Endnote im guten mittleren Bereich zu erzielen, dürfen nur kleine Taktfehler passieren und das Pferd sollte den Großteil der Prüfung über losgelassen sein und anfangen an die Hand des Reiters zu treten. Auch soll das Pferd schon korrekt gebogen sein und auf den geraden Teilen der Prüfung in sich relativ gerade. Der Reiter muss korrekt sitzen und ganz wichtig, einfühlsame Hilfen geben.
Da hilft tatsächlich nur üben, üben, üben. Achtet immer wieder auf einen korrekten Sitz und wenn sich Fehler eingeschlichen haben, scheut Euch nicht auch mal eine Reitstunde an der Sitzlonge zu nehmen. Überprüft regelmäßig im täglichen Training Eure Zügelverbindung: ist meine Anlehnung schon stabil? Bin ich elastisch genug in der Hand und kann den Bewegungen meines Pferdes folgen? Findet ein ruhiges Tempo für euer Pferd in dem es losgelassen und locker läuft und übt dieses Tempo über einen längeren Zeitraum konstant zu halten. Das lässt sich zum Beispiel auch sehr schön im Gelände üben. Ob Trab oder Tölt ist wie gesagt auf Level I nicht wichtig, Ihr müsst Euch nur für eine der Gangarten entscheiden. Es kann auch hilfreich sein viele Übergänge oder das Zügel aus der Hand kauen lassen vermehrt mit ins Training aufzunehmen um die Anlehnung und Durchlässigkeit zu verbessern. Viele Biegungen und der Wechsel zwischen Biegung und Gerade auf beiden Händen sollten zwar sowieso immer wieder in die Arbeit eingebaut werden, zur Prüfungsvorbereitung aber ruhig noch etwas intensiver.
Zu guter Letzt ist es absolut hilfreich die komplette Aufgabe mehrere Male durchzureiten und dafür auch die Markierungen auf dem Boden anzubringen. Am besten tut Ihr Euch mit mehreren zusammen, dann geht es leichter und macht mehr Spaß. Einer kann zum Beispiel mit einem Kunststoffkoppelpfosten den Zirkelmittelpunk markieren und das eine Ende der Longe fixieren, während der Andere bei gespannter Longe eine leichte Vertiefung (zum Beispiel mit der Ferse) in den Hallenboden macht. Der Dritte füllt dann die Vertiefung mit den Sägespänen auf. Auch die Diagonalen lassen sich mit dieser Methode sehr gut „malen“. Probiert ruhig öfter aus, auf welcher Hand Ihr die Aufgabe beginnen wollt. Die Figuren werden zwar im Tölt immer auf beiden Händen gefordert, für den Schritt und die Parade zum Halt kann es aber immer einen Unterschied machen, ob sie auf der linken oder rechten Hand geritten wird.
Am besten reitet Ihr auch daheim schon mal mit der Musik, mit der Ihr gerne die Prüfung reiten möchtet. Theoretisch sollte zwar auch der Veranstalter passende Musik stellen, das geht aber leider oft etwas schief. Empfohlen wird eher ruhigere instrumentale Musik. Ob klassisch, romantisch oder rockig, das liegt ganz bei Euch. Hauptsache ist, dass Euch die Musik gefällt und sie zu Euch und Eurem Pferd passt.
Als letzten Tipp: bitte vergesst nicht vor dem Einreiten in die Prüfung Eure Boots, Glocken oder No-Turns abzulegen und auch die Gerte darf nicht mit rein. Und jetzt viel Spaß beim harmonischen durch die Halle tölten…
Weitere Infos findet Ihr unter https://toltinharmony.wordpress.com/tihinternation...
Bildquelle: Hannah