Toledano - Eine Legende wird zum Seelenpferd

Die RNBS-Blogbeiträge gehen in die nächste Runde. Den Anfang macht wieder Katha von @katha_toledano. Sie erzählt Dir die Geschichte von ihrem Seelenpferd Toledano. :-)

Heute möchte ich Euch nochmal jemand ganz besonderen vorstellen. Viele von euch kennen ihn bereits ;-). Ich habe es in meinem ersten Blogeintrag bereits am Ende erwähnt, dass ich meinen nächsten Eintrag dem zweiten großen Traum meines Lebens widmen möchte. Der erste Traum ist ja nun vor sieben Jahren wahr geworden, als ich mein Goldenes Reitabzeichen verliehen bekommen habe. Hier ist nun der zweite Lebenstraum, den ich mir vor zwei Jahren endlich erfüllen konnte.

Sein Name ist Toledano und er ist ein 100% rein gezogener Cartujano aus dem Gestüt „Yeguada de la Cartuja“ in Jerez de la Frontera. Er ist acht Jahre alt und kam im Juli 2018 zu mir. Aber eigentlich beginnt die Geschichte schon Jahre vorher. Wie ihr bereits im ersten Blog lesen konntet, war mein erstes Springpferd ein Mix aus Andalusier und ungarischem Warmblut. Allerdings schlug bei ihr der Andalusier absolut durch und sie war das rittigste Pferd, das ich je hatte. Mit Ausnahme von Toledano heute, der noch schöner zu reiten ist. So war früh klar, irgendwann wird es bei mir auf jeden Fall ein Spanier werden, da mich die Lernbereitschaft und die spezielle Beziehung, die diese Pferde zu „ihrem“ Menschen aufbauen, schon immer fasziniert hat.

So habe ich mit meinem Dad schon einmal darüber nachgedacht nach Spaniern zu schauen, als wir ein zweites Dressurpferd gesucht haben, das meinen Joy ein wenig entlasten sollte. Allerdings haben damals ausnahmslos alle Trainer davon abgeraten, da die Spanier zwar eine unschlagbare Fähigkeit haben sich zu versammeln, was natürlich ein hohes Talent für versammelnde Lektionen wie Pirouetten, Piaffe, Passage und fliegende Wechsel mit sich bringt, den meisten dafür aber schlichtweg der Raumgriff fehlt. So war klar, als Kaderpferd im deutschen Dressursport war ein Spanier undenkbar. Also wurde der Traum erstmal auf Eis gelegt, denn meine Kaderzeit war aufgrund des Alters begrenzt, meine Zeit als Reiter jedoch nicht und so behielt ich meinen Traum immer im Hinterkopf.

Vor ungefähr vier Jahren habe ich dann begonnen, mich um mein Herzensprojekt zu kümmern. Ich habe immer wieder Verkaufsanzeigen im Internet durchforstet, begonnen, mich über alle möglichen Zuchtlinien der Spanier zu informieren und zu überlegen, welches Pferd aus welcher Linie wohl zu mir passen könnte und welches meine vielen „Ansprüche“ erfüllen würde. Aus diesem Grund habe ich angefangen zu suchen, ohne mir einen bestimmten Zeitraum zu setzen, denn es war klar, dass die Suche nicht einfach werden würde und mir war egal, ob es ein Jahr dauert oder fünf Jahre. Denn ich wollte meinen besten Freund finden. Ein Pferd, mit welchem ich durch dick und dünn gehen kann und welches mein Herzenspferd für die nächsten hoffentlich 20 Jahre werden sollte.

Und meine Liste war lang. Da ich ein Pferd für alle Zeiten suchte, hatte ich wirklich etliche Punkte abzuarbeiten. ;-)

• Er sollte ein Hengst oder Wallach sein

• Er sollte zwischen 5 und 8 Jahren alt sein

• Er sollte sich für Dressur eignen. Allerdings wollte ich keinen „Lampenaustreter“ (die gibt es ja bei den Spaniern mittlerweile auch zu Genüge), sondern er sollte einfach solide, ausbaufähige Bewegungen haben, mit etwas Raumgriff, nicht zu hoher Aktion aus dem Karpalgelenk, da diese Pferde einfach viel schwerer Schwung entwickeln können, aber trotzdem sollte er sich natürlich spanisch bewegen.

• Er sollte keinen extrem kurzen Rücken haben

• Er sollte brav im Gelände sein. Da wir von unserem Stall aus immer mal wieder auf Reiterrallyes fahren, sollte das natürlich auch möglich sein. Daher wollte ich auch keinen reinen Dressurspezialisten, bei dem ich Angst hätte haben müssen, dass er sich im ersten kleinen Loch im Gelände gleich was tut. Ausserdem möchte ich in den nächsten Jahren eine Alpenüberquerung mit ihm machen und da wäre so ein reiner Dressurcrack auch wirklich unpassend :-)

• Er sollte natürlich brav sein

• Er sollte zwischen 1.57m und 1.65m groß sein

• Er sollte sehr rittig sein

• Er sollte für Working Equitation geeignet sein, da ich auf jeden Fall mit ihm auch an Rindern arbeiten will, da das einfach sooooo viel Spaß macht

• Er sollte ein glitzerndes Horn auf seiner Stirn haben ;-)

Wie Ihr euch vorstellen könnt, steht so ein Traumpferd natürlich an jeder Ecke und wartet nur darauf abgeholt zu werden. Da die Suche natürlich extrem schwierig war, schloss ich einige Zuchtlinien direkt aus. Vor allem die, die ihre PRE’s an den modernen Sportpferdetyp anpassen, die mir zu blütig waren und man teilweise schlichtweg den PRE nicht mehr erkannt hat. Ich weiss, auf Papier kann man nicht reiten und bisher war es mir auch immer egal, allerdings wollte ich einfach wirklich einen robusten und typischen Spanier und kein reines Sportpferd mit zu dünnen Röhrbeinen und schwachem Nervenkostüm. Da die Spanier einfach sehr temperamentvolle Pferde sind, gibt es leider mittlerweile auch viele hochgezüchtete Pferde, bei denen das Nervenkostüm den Anforderungen einfach nicht mehr standhält. Das wollte ich so gut wie möglich ausschließen.

Eine kurze Erklärung der spanischen Begriffe fürs Verständnis: PRE bedeutet PURA RAZA ESPAÑOLA und bedeutet „Pferde reiner spanischer Rasse“. Jeder rein gezogene PRE muss im Zuchtbuch des spanischen Verbandes ANCCE eingetragen sein, um als reiner PRE zu gelten. Dafür müssen BEIDE Elterntiere, Vater und Mutter, gekört sein. Im Prinzip sind PRE’s also eingetragene spanische Pferde mit Papieren. Jeder PRE ist also gleichzeitig ein Andalusier, aber nicht jeder Andalusier ist ein PRE. Spanische Pferde ohne Papier werden Cruzado, oder auch oft Andalusier genannt. In Spanien ist es ausserdem so, dass in der Regel jeder Züchter seinen eigenen Brand hat.

Es gibt einige große Gestüte, deren Brände weltweit bekannt sind, wie zum Beispiel das Gestüt „Yeguada Escalera“, „Yeguada Militar“ oder das bereits erwähnte „Yeguada de la Cartuja“.


Der "Hierro del Bocado", der berühmte Kandarenbrand des Yeguada de la Cartuja


Da aktuell in Spanien um die 2500 Brände und somit Züchter existieren, könnt ihr euch vorstellen, wie schwierig es ist, dort erstmal einen Überblick zu bekommen. Aber ich hatte ja Zeit. So fing ich also an, mir gezielt Pferde heraus zu suchen, die ich ausprobierte. Zuerst in Deutschland, da es hier natürlich auch wirklich gute spanische Pferde gibt. Leider war einfach nie das passende Pferd dabei.

Anfang Juni 2018 flog ich mit meiner besten Freundin für vier Tage nach Andalusien, um eine Freundin zu besuchen, die in der Nähe von Jerez de la Frontera lebt. Ich hatte vorab mit einigen sehr netten Leuten Kontakt aufgenommen. Deutsche, die dort leben und einige Verkaufspferde im Angebot hatten. Dort fuhren wir am ersten Tag hin, ich ritt einige Pferde, aber auch dort war leider mein Traumpferd nicht dabei. So war für uns klar, wir machen noch drei Tage Strandurlaub und ich suche in Deutschland und Spanien dann in Ruhe weiter.

Was aber natürlich noch auf unserem Plan stand und das kann vermutlich jeder pferdebegeisterte Mensch in Andalusien nachvollziehen, war natürlich der Besuch des Karthäusergestütes „Yeguada de la Cartuja“.

Dieses Gestüt existiert seit mehreren Jahrhunderten und der Anmut dieser Pferde, der Cartujano’s, sucht seinesgleichen. Schon große Herrscher wie Napoleon Bonaparte, Richard Löwenherz und Friedrich der Große ritten Überlieferungen nach Karthäuserpferde.


"Es ist das Pferd der Monarchen und Könige, eine märchenhafte Gestalt mit wallender Mähne, edel, anmutig und treu, mit feuriger Erscheinung und doch sanftmütig. Mit überragender Rittigkeit, hoher Intelligenz und einem enormen Reaktionsvermögen ausgestattet, ist es ein Pferd, welches mit keinem anderen der Welt zu vergleichen ist."

So beschreibt es die Legende um die Karthäuserpferde.

So machten wir uns also diesen Samstagmorgen auf, um die berühmten Karthäuser einmal live zu sehen.

Toledano


Als wir auf dem Gestüt ankamen, welches nur Samstag vormittags für Besucher zugänglich ist, traf uns fast der Schlag. Aber im positiven Sinne. Ein Pferd schöner als das Vorherige. Es war einfach ein Traum. 95% der Karthäuserpferde sind Schimmel und so schauten ungefähr 40 wunderschöne Hengste aus ihren offenen Boxen aus dem Fenster in den Innenhof und genossen es, von den vielen Besuchern gekrault und bewundert zu werden. Nicht ein einziges Pferd war frech oder knappte, man durfte überall hingehen und schauen und wir waren einfach nur geflasht. Mittags konnte man dann in einer Show diese Pferde noch in Bewegung erleben. Gerittene Hengste und Stuten, Fohlen und Kutschen, das ganze Programm. Dies zeigte schon deutlich die Vielseitigkeit dieser besonderen Pferde. Als die Show vorbei war, gingen wir nochmals an den Hengsten vorbei, da wir uns einfach nicht von ihrer Schönheit lösen konnten.

An diesem Tag war für mich klar, wenn ein Spanier, dann ein Karthäuser. Oder gar keiner. Nie hatte ich schönere und edlere Pferde gesehen, aber was mich noch mehr faszinierte war ihr Charakter. Ihre Sanftmut in den Augen. Augen in denen man bis in ihre Seele blicken konnte.

Dieser Sanftmut in den Augen faszinierte mich vom ersten Moment an


Als wir dort weg fuhren, konnten wir gar nicht aufhören zu schwärmen und ich war ein wenig deprimiert, weil für mich klar war, dass ich nie einen Spanier besitzen würde, denn solche Schätze verkauft man natürlich nicht. Trotzdem liess es mich nicht los und so rief ich meine dort lebende Freundin Nicole an, die perfekt spanisch spricht und bat sie, einfach mal dort anzurufen und sich zu erkundigen, ob hin und wieder vielleicht doch Pferde verkauft werden. Es war wirklich die Hölle für mich, denn wie sollte es anders sein, hatte das Gestüt natürlich nachmittags schon geschlossen und sonntags ist Ruhetag und unser Flug nach Hause ging schon Montag. Als wir allerdings Montag morgens auf der Terrasse bei Nicole frühstückten, ging sie weg zum Telefonieren, kam wieder und sagte, dass sie mit dem Yeguada (Gestüt) telefoniert habe, sie mit einem sehr netten Herrn Kontakt hatte und dann kam das für mich Unfassbare: Wir sollten mittags vorbei kommen, sie hätten vier Pferde dort, die passen könnten und ich dürfte sie gerne probereiten. Mir blieb die Luft weg und diese kam auch erst wieder, als ich mittags auf meinem ersten Karthäuser saß. Zum Glück ging unser Flug spätnachmittags, und da wir ja schon in Jerez waren, war das zeitlich noch machbar.

Als wir im Gestüt ankamen, begrüsste uns Mariano sehr freundlich. In einem intensiven Kennenlerngespräch, bei dem Mariano mich unter anderem fragte, wo das Pferd denn hinkäme, in welcher Klasse ich reite und was ich grundsätzlich mit dem Pferd vorhabe, wurden viele Informationen ausgetauscht. In diesem Gespräch wurde mir bewusst, dass diese besonderen Pferde ein Stück Kulturgut sind und ein Teil spanischer Geschichte und Tradition und mir wurde klar, wieviel Wert und Liebe die Spanier auf diese Pferde legen. Das hat mich sehr berührt.

Im Anschluss gingen wir zu den vier in Frage kommenden Hengsten. Zwei fielen gleich raus, weil sie zwar absolut vielseitig waren, allerdings von den Bewegungen her leider weniger für die Dressur geeignet waren. Die anderen beiden, ein fünfjähriger Apfelschimmel und ein sechsjähriger Schimmel kämen laut Mariano sehr gut in Frage und so durften wir uns in die riesengroße und wunderschöne Reithalle auf die Tribüne setzen und der sechsjährige Hengst wurde uns zuerst freilaufend in der Halle gezeigt. Wir waren sehr gespannt und als der Bereiter den Strick löste und dieser Hengst sich anfing zu bewegen, war es einfach nur ein Traum. So stolz, so anmutig und edel habe ich vorher nie ein Pferd laufen sehen. Wir waren völlig von den Socken und freuten uns schon auf den fünfjährigen Apfelschimmel. Wobei ich mein Herz da schon längst verloren hatte und eigentlich nur betete, dass der sechsjährige Schimmel nett zu reiten wäre. Auch der Fünfjährige war ein Traum auf vier Beinen. Ebensolche anmutigen Bewegungen, ebenso edel. Allerdings hat er nicht mein Herz berührt. Der Sechsjährige hatte einen ganz besonderen Blick. Sanft, ehrlich, aber auch ein bisschen frech und keck. Ich habe ihm ins Auge gesehen und wusste eigentlich, dass ich mein Herzenspferd bereits vor mir habe.

Der erste Ritt auf Toledano


So kam es dann, dass beide Pferde gesattelt wurden und ich beide reiten durfte. Den sechsjährigen Schimmel ritt ich zuerst und alles, was ich in seinem Auge zuvor schon sehen konnte, fühlte ich nun unter mir. Kraft, Stolz, Mut, aber auch Sanftmut und Treue. Ihn zu reiten war das Beste, was ich bis dahin reiterlich erlebt habe. So war klar, dieses Pferd oder kein anderes. Obwohl er nicht alle Punkte auf meiner nicht ganz so ernst gemeinten Liste erfüllte, war klar, er ist es. (Er hatte kein glitzerndes Horn auf seiner Stirn und war nicht oft im Gelände, aber ansonsten stimmten tatsächlich alle Punkte ;-) ) Ich ritt den anderen Schimmel dann trotzdem noch, er war auch super, aber er berührte mich beim reiten eben einfach nicht. So war es für mich glasklar.... Ich hatte mein Traumpferd gefunden. Toledano, so hiess er, wie Mariano mir dann sagte, das Pferd, an dessen Seite und auf dessen Rücken ich viele, viele Jahre verbringen wollte und das Pferd, welches den Rest seines Lebens bei mir verbringen würde... Zu der unendlichen Freude mischte sich natürlich Angst. Werden Mariano und ich uns überhaupt einig... und wenn, wird Toledano die Ankaufsuntersuchung bestehen??? Da ich schon soviel in meiner reiterlichen Zeit erlebt habe, war ich nicht naiv, obwohl ich am liebsten am selben Tag den Kaufvertrag unterschrieben hätte. So vereinbarten wir, dass ich eine Nacht über meine Entscheidung schlafe und wenn wir Dienstag wieder zu Hause sind, ich mich melde und wir darüber sprechen, was die nächsten Schritte sind. Natürlich war Toledano Dienstag immer noch mein Traumpferd und so teilte ich Mariano am Dienstagmorgen mit, dass ich ihn nehme, vorausgesetzt die AKU ist in Ordnung.

Diese Zeit war für mich der Horror. Ich bin ein Mensch, der es hasst, rum zu sitzen und nichts tun zu können und das musste ich nun. Warten, warten, warten. Das Gestüt hatte sich bereit erklärt, alle Röntgenbilder zu machen, da sie alle nötigen Geräte hatten. Da auf dem Gestüt selbst eine komplette Klinik mit angeschlossen ist, die Besamung, OP's usw. alles selbst machen, war dies natürlich sehr praktisch. Mariano ist selbst Tierarzt und hat die klinische AKU gemacht. Ich hätte auch mit meinem Tierarzt kommen können, oder einen externen spanischen Tierarzt beauftragen, aber ich habe Mariano hundert Prozent vertraut, was bei mir übrigens selten ist, gerade bei Pferdekauf und -verkauf. Und ich wurde nicht enttäuscht. Ich habe Mariano gesagt, was für Röntgenbilder ich alle haben möchte und habe alle diese bekommen, plus ein paar zusätzliche, die in Spanien normal sind, hier bei uns aber gar nicht gemacht werden. Als alle Bilder fertig waren, hat Mariano mir diese dann per Email geschickt und ich habe sie an meinen Tierarzt hier in Deutschland weitergeleitet, damit er sie bewertet. Als er mich dann anrief und mitteilte, dass bis auf zwei wirklich vernachlässigungswürdige Kleinigkeiten alles absolut in Ordnung sei, bin ich vor Freude fast ausgeflippt. Eigentlich konnte ich es kaum glauben, dass wirklich alles so straight seinen Weg ging und das jetzt auch noch die AKU so gut war. So wurde also der Kaufvertrag gemacht, alles geregelt und dann ging für mich das Organisieren weiter. Denn es musste eine Spedition gefunden werden, die mein Traumpferd von Jerez zu mir nach Hause bringt. Und das so stressfrei wie irgendwie möglich. Nach ca. einer Woche und gefühlten hundert Telefonaten, haben wir eine ganz tolle Spedition gefunden, welche pro Tag nur ein paar Stunden fährt, dann feste Stationen anfährt, wo die Pferde nachts in großen Boxen stehen und sich ausruhen können. So dauerte die Fahrt für Toledano zwar sechs Tage, aber er hatte die Möglichkeit, nachts zu liegen und zu schlafen.

Am 3. Juli ging es los... Toledano wurde von der Spedition in Jerez abgeholt. Die beiden Fahrer haben immer von unterwegs Bilder von ihm geschickt und mir mitgeteilt, wo sie sich gerade befinden. Das war eine sehr spannende Zeit, so konnte ich quasi live verfolgen, wie mein Traumpferd näher und näher kam.

Toli’s „Reiseausweis“


Am Sonntag, den 8.Juli war es dann endlich soweit. Die Spedition rief an und sagte mir, dass Toledano mittags bei uns auf dem Hof ankommen würde. Ich weiss nicht mehr, wie ich die Stunden bis dahin rum gebracht habe, es war auf jeden Fall mega aufregend. Und pünktlich auf die Minute kam er dann um die Ecke gefahren. Ein kleiner Transporter mit meinem Toledano. Der nette Fahrer hat ihn dann noch abgeladen und so bezog Toledano seine schon gerichtete Box mit Haufenweise Heu und einer Portion Mash und Möhren. Wir erledigten noch den Schriftverkehr mit dem Fahrer und als dieser dann vom Hof fuhr, wurde mir erst so richtig bewusst, dass dieser kleine Hengst, der eine Woche zuvor noch in Spanien war, ab jetzt für immer hier bei mir bleibt. Dieses Gefühl war unbeschreiblich.


Die nächsten Tage verbrachten wir hauptsächlich mit entspanntem freilaufen und Weide, damit er sich erstmal von der Fahrt erholen konnte und ca. nach einer Woche haben wir mit reiten begonnen. Und er war in Deutschland genauso ein Traum wie ich das Gefühl von Spanien noch in Erinnerung hatte.

Einzig seinem Hengstdasein habe ich Ende August 2018 ein Ende gesetzt, denn nach der Zeit der Eingewöhnung bei uns war klar, dass er leider mit dem gemischten Stallsystem, wie es hier üblich ist, nicht gut klar kam und ihn das doch sehr stresste. In Spanien stehen oft nur Hengste, die Stuten stehen meist entfernt auf riesigen Weiden und Wallache kennt man dort fast gar nicht. So war das Reiten nie ein Problem, egal ob Stuten mit in der Halle waren oder neben dem Reitplatz die gemischte Herde stand. Allerdings wollte ich in seiner Haltung langfristig keine Abstriche machen, denn bei uns stehen alle Pferde draußen, egal ob Turnier- oder Freizeitpferde. Die meisten Pferde stehen im Offenstall und ein paar auf großen Paddocks und auch Toledano sollte auf einen Paddock, damit er nicht in der Box stehen muss. Auf die Weide ging er sowieso, aber auch das war als Hengst ein großer Stressfaktor, da die Stuten immer in Geruchsweite waren und er die anderen Wallache natürlich auch wahrnahm. Ich habe ihn bewusst als Hengst importiert, denn viele Hengste kommen auch in gemischten Ställen durchaus gut klar und können zum Bespiel neben einem Wallach auf dem Paddock stehen, oder mit einem Wallach auf die Weide. Das ging bei uns leider nicht, da Toledano als Hengst immer versucht hat über den Paddock zu steigen und da war mir einfach die Verletzungsgefahr viel zu groß. Ich finde, auch Hengste brauchen unbedingt die Möglichkeiten soziale Kontakte zu pflegen, weil es einfach natürlich ist und für das Wohlbefinden enorm wichtig. Wäre dies bei ihm machbar gewesen und wäre er besser mit allem zurechtgekommen, hätte ich ihm einfach die Strapazen und das Risiko der Kastration ersparen wollen. Da aber klar wurde, dass er, wenn er Hengst geblieben wäre, sein Leben in der Box hätte verbringen müssen, mit Weidegang einzeln abgetrennt und außer Sichtweite von allen anderen, habe ich mich entschlossen, ihn kastrieren zu lassen.

Toli, acht Wochen nach seiner Kastration, bereits mit Kumpel auf der Weide



So ist er dann Ende August kastriert worden und das war definitiv die beste Entscheidung, wie er mir immer wieder zeigt. Er stand relativ schnell mit seinem Kumpel zusammen auf der Weide, spielt für sein Leben gern und auch die Stuten interessieren ihn nicht mehr. Nie im Leben wäre das als Hengst denkbar gewesen. Von daher bin ich super froh, diese Entscheidung „pro Pferd“ getroffen zu haben. Denn was will man mit einem tollen Reithengst, wenn dieser sonst kein artgerechtes Leben mit sozialen Kontakten und freier Bewegung haben kann… (Deckhengste sind natürlich ein anderes Thema und tatsächlich auch ein Thema für sich).

Toli im Herbst 2018


Für 2019 hatte ich mir vorgenommen, an einigen Lehrgängen teilzunehmen, vielleicht mal einen Rinderkurs zu besuchen und einfach mit Toli zusammenzuwachsen. Was wir dann für ein sensationelles Jahr hatten, konnten viele von euch ja bereits bei Instagram verfolgen. Wir haben so viele tolle Dinge bereits im ersten Jahr miteinander erlebt. Einige Lehrgänge und sogar unsere ersten gemeinsamen Turniere. Ich habe Toli in zwei L-Dressuren vorgestellt, in denen er einmal 2. und einmal 6. wurde und das Highlight war ganz sicher unser erstes gemeinsames Working Equitation Turnier. Nie hätte ich gedacht, dass Toli mir in so kurzer Zeit soviel Vertrauen schenkt, um alle vier Disziplinen der Working Equitation, die Dressur, den Stiltrail, den Speedtrail und die Rinderarbeit, so toll zu meistern. Aber er ist einfach ein Kämpfer und so konnten wir uns bereits bei unserem ersten Turnier auf Platz 4 der Gesamtwertung platzieren.

Toli, bei unserem ersten Working Equitation Turnier



Spanier sind einfach besondere Pferde. Hochintelligent und sensibel, äußerst feinfühlig und empathisch, mutig, nervenstark und menschenbezogen. Ich habe niemals vorher ein Pferd erlebt, welches so schnell lernt wie Toli. (Auch die Dinge, die er eigentlich nicht lernen soll ;-)). Toli erwartet meine volle Aufmerksamkeit beim Training. Er lässt sich zu 100 Prozent auf mich ein, erwartet das von mir aber auch. „Mal eben fix reiten“ geht nicht. Auch nicht „mal eben schnell longieren“. Wenn ich mit ihm arbeite, bin ich zu 100 Prozent bei ihm. Nichts anderes hat er verdient. Er will immer, wirklich immer gefallen und es ist einfach zu schön zu sehen, wie er selbst immer überlegt, was jetzt wohl gerade das Richtige ist und notfalls auch zehn andere Sachen probiert, wenn er die Lösung gerade nicht findet. Er ist ein absolutes Arbeitstier und möchte mental, wie auch körperlich gefordert, aber nicht überfordert werden. Bei einem Spanier funktioniert das viel verbreitete Prinzip im Pferdetraining mit Druck machen und Druck wegnehmen, Dominanz und „Chef“ sein oft nicht. Einen Spanier muss man sich zum Freund machen. Man muss ihm auf Augenhöhe begegnen. Als gleichwertiger Partner und Freund mit ihm arbeiten. Man muss sich seinen Respekt verdienen. Nur dann wird er irgendwann alles für dich tun. Verdienst du seinen Respekt nicht, wird er auch nicht für dich kämpfen.

Toli hat meinen vollsten Respekt und mein größtes Vertrauen. Wir begegnen uns absolut auf Augenhöhe. Ich nehme ihn an wie er ist, versuche nicht, ihn zu verbiegen und wenn etwas nicht funktioniert, überlege ich mir in Ruhe, wie es funktionieren kann. Wir erarbeiten alles freundschaftlich gemeinsam und ich glaube das macht unsere mittlerweile so tolle Basis aus. Natürlich haben auch wir unsere Aufgaben, an denen wir noch arbeiten, die noch nicht perfekt klappen, aber mit Ruhe, Geduld und gegenseitigem Verständnis, werden wir jeden noch so steinigen Weg miteinander gehen.

Ich bin zutiefst dankbar für dieses außergewöhnlichste und treueste Pferd, dass ich jemals hatte und ich freue mich auf alles, was die kommenden Jahre für uns beide bereit halten.

Viele Pferdemenschen, die ich bei meiner Suche getroffen habe, haben mir immer wieder gesagt, dass, wer einmal einen Karthäuser reite, der reite niemals mehr ein anderes Pferd in seinem Leben. Heute glaube ich sie hatten alle Recht!

Ein großes Dankeschön möchte ich nochmal an Nicole aussprechen, ohne die ich nicht zu diesem tollen Pferd gekommen wäre. Denn sie hat mir sehr viel geholfen was die ganze Abwicklung anging, hat, wenn Fragen waren, immer wieder mit Mariano telefoniert und nachgefragt und hat oft als Dolmetscher zwischen Mariano und mir fungiert, wenn es um spezielle Themen ging, da die Kommunikation mit Mariano teilweise in seiner Muttersprache doch um einiges einfacher war, als in der englischen Sprache. Sie hat Toledano’s Abreise aus Spanien begleitet und mir mit Fotos dokumentiert und hat quasi ab dieser Zeit ein vierbeiniges Patenkind dazu gewonnen :-) Vielen Dank für Alles!!

Ein weiterer Dank geht natürlich an Mariano und das Gestüt Yeguada de la Cartuja, die mir dieses Ausnahmepferd anvertraut haben und die sich seit so langer Zeit für den Erhalt und die Fortführung dieses ganz aussergewöhnlichen und wertvollen Erbgutes und die Zuchterhaltung der legendären Karthäuserpferde einsetzen.

So wird dafür Sorge getragen, dass eine wahre Legende, der Cartujano, weiterlebt und vielleicht auch in 1000 Jahren Menschen immer noch seine Geschichten und Mythen erzählen.


#teamridersdeal sagt "Danke" an Katha von @katha_toledano! :-)